Armut als Hindernis? – Auswirkungen auf die Kindesentwicklung

Kinder aus armen Verhältnissen haben es schwerer im Leben – ein weit verbreitetes Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Doch wie viel Wahrheit steckt wirklich dahinter? Sind sie von Anfang an benachteiligt und haben weniger Chancen auf eine erfolgreiche Entwicklung? Oder ist die Realität komplexer, als es auf den ersten Blick scheint?

Was ist Armut?

Wie lässt sich Armut überhaupt definieren? Laut OECD ist Armut „die Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen“. Das bedeutet, dass Betroffene ihre natürlichen Bedürfnisse nach Nahrung, Gesundheitsversorgung, Bildung und Sicherheit zu erfüllen, da sie sich dies finanziell nicht leisten können. Armut kann auf verschiedene Weisen beschrieben werden, wobei zwischen absoluter Armut und relativer Armut unterschieden wird. Absolute Armut bezieht sich auf einen Zustand, in dem eine Person nicht in der Lage ist, ihre grundlegenden wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse zu erfüllen. Relative Armut hingegen bezieht sich auf einen Zustand, der im Vergleich zum sozialen Umfeld einer Person gesehen wird. Beide Arten von Armut haben oft negative Auswirkungen. Armut wird als ein dynamischer Prozess betrachtet und nicht als eine feste Eigenschaft, da Menschen in der Regel aufgrund einschneidender Ereignisse wie Krankheit, Tod oder größeren Krisen wie Krieg, Naturkatastrophen oder wirtschaftlichen Abschwüngen in die Armut geraten.

Wie beeinflusst Armut die Kindesentwicklung?

Studien, welche die Auswirkungen von Armut auf die Kindesentwicklung untersuchen, ziehen in der Regel Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status heran. Bei diesem spielt neben dem familiären Einkommen der Beschäftigungsstand, sowie der Bildungsgrad der Eltern eine Rolle. Kinder aus solchen Familien erreichen nicht nur bei IQ-Tests schlechtere Ergebnisse, sondern zeigen auch Beeinträchtigungen in exekutiven Funktionen wie Handlungsplanung und Impulskontrolle. Zudem sind ihr Sprachvermögen und räumliches Verständnis oft beeinträchtigt. (Hackman DA, Farah MJ. Socioeconomic status and the developing brain. Trends Cogn Sci. 2009 Feb;13(2):65-73. doi: 10.1016/j.tics.2008.11.003. Epub 2009 Jan 8. PMID: 19135405; PMCID: PMC3575682.)

Das Umfeld hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie weit das intellektuelle Potenzial von jungen Menschen entwickelt wird. Das zeigen die Ergebnisse von Intelligenztests. Bei adoptierten Kindern wird das Resultat etwa zur Hälfte durch den sozialen Status der Adoptiveltern beeinflusst, obwohl keine genetische Verwandtschaft besteht. Demnach kommt es stark darauf an, inwieweit Kinder gefordert werden, etwa durch Bücher, Spiele oder das Unterhalten über verschiedene Themen. Diese Aktivierung führt dazu, dass sich die jeweiligen Hirnareale weiterentwickeln. So konnte gezeigt werden, dass Leistungsschwächen mit Defiziten in bestimmten Hirnregionen, wie dem präfrontalen Kortex und dem Broca-Sprachzentrum korrelieren. Hierbei zeigt sich eine geringere neuronale Aktivität und ein kleiner ausgeprägtes Areal.

Kreislauf der Armut

Ein weiteres Problem ist der „Kreislauf der Armut“. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben oft Schwierigkeiten, aus diesem Kreislauf herauszukommen. Ihre sozioökonomische Lage schränkt ihre Chancen auf soziale und berufliche Mobilität ein. Mangelnde Ernährung und ein eingeschränkter Zugang zu Gesundheitsversorgung können auch negative Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung mit sich ziehen.

Wenn man Armut nicht nur als finanzielle Not, sondern auch als Mangel an emotionaler Zuwendung und geistiger Förderung versteht, zeigt sich, dass eine entscheidende Herausforderung in der Qualität der Beziehungen und der Förderung des Kindes liegt. Ein Kind kann in einem wohlhabenden Umfeld genauso benachteiligt sein wie in einem finanzschwachen, wenn es an Zuwendung und Unterstützung fehlt. Wohlstandsverwahrlosung, wie sie bei Kindern aus reichen Verhältnissen vorkommen kann, zeigt, dass auch sie unter einem Mangel leiden – an emotionaler Zuwendung und klaren Grenzen. Diese Kinder haben oft alles Materielle, was sie sich wünschen können, doch innerlich sind sie arm.

Lösungsansätze: Förderung und Unterstützung

Ein Weg, um Kinder unabhängig von ihrem Hintergrund zu unterstützen, ist die Förderung frühkindlicher Bildung und der Zugang zu gesunder Ernährung, z. B. durch Schulförderprogramme. Familien sollten über Beratungsmöglichkeiten informiert und finanziell unterstützt werden, etwa durch Sozialleistungen, Wohngeld oder spezielle Programme für Mehrkindfamilien. Diese Maßnahmen verbessern nicht nur die finanzielle Lage, sondern fördern auch die Entwicklungschancen von Kindern nachhaltig. Betroffene Familien können beispielsweise auf der Webseite Mehrkindfamilien (bayern.de) Informationen und Tipps einholen.

Autorin: Pauline Rösch