Covid 19 und der Fi­nanz­dienst­leis­tungs­sek­tor

Die Fi­nanz­dienst­leis­tungs­bran­che hat die Co­ro­na­kri­se ins­ge­samt gut über­stan­den, den­noch gab und gibt es di­ver­se The­men, bei denen man als Ver­brau­cher:in genau hin­schau­en soll­te. Es gibt kaum einen The­men­be­reich bei den Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen, der in den letz­ten 1,5 Jah­ren nicht be­trof­fen war:

  • Was ma­chen Be­woh­ner:innen eines klei­nen Dor­fes, wo die Bank nun zwei Jahre eher schließt?
  • Wel­che Op­tio­nen hat die Selbst­stän­di­ge, die kei­nen wei­te­ren Kre­dit be­kommt?
  • Was mach­te der klei­ne Gastro­be­trieb, des­sen Be­triebss­schlie­ßungs­ver­si­che­rung nicht über­neh­men woll­te?
  • Wie kann man bei zwei­stel­li­gen Dis­po­zin­sen kein Pro­blem sehen, wenn zu­gleich Ban­ken solch eine her­aus­ra­gen­de Po­si­ti­on bei der Lö­sung der Krise zu­ge­spro­chen wurde?
  • Was ma­chen Über­schul­de­te, die so drin­gend Be­ra­tung brau­chen, aber auf mehr­mo­na­ti­ge War­te­zei­ten ver­wie­sen wer­den?

Schon vor der Pan­de­mie gab es di­ver­se Her­aus­for­de­run­gen im Fi­nanz­dienst­leis­tungs­sek­tor, die auch jetzt wei­ter­hin be­ste­hen und uns si­cher noch Jahre be­glei­ten wer­den: Die Nied­rig­zins­pha­se for­dert beim Thema Geld­an­la­ge her­aus, Schuld­ner­be­ra­tun­gen sind über­las­tet, Dis­po­zin­sen zu hoch. Fi­lia­len wer­den ge­schlos­sen und die hohen Ent­gel­te fürs P-Kon­to oder Ba­sis­kon­to sorg­ten schon vor der Pan­de­mie für Kopf­schüt­teln. Die Aus­wir­kun­gen ei­ni­ger die­ser Her­aus­for­de­run­gen auf die Ver­bau­cher:innen haben sich mit der Pan­de­mie al­ler­dings wei­ter ver­schärft u.a. weil auch diese zum Teil stark von der Pan­de­mie be­trof­fen waren.

Trend der Di­gi­ta­li­sie­rung wurde be­schleu­nigt

Die Di­gi­ta­li­sie­rung von Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen ist seit Jah­ren ein Thema und die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on ist dabei eines von meh­re­ren zen­tra­len Zu­kunfts­the­men. Die Co­vid-19 Pan­de­mie be­schleu­nig­te den Trend noch, denn viele Bank­fi­lia­len schlos­sen ihre Türen und wer­den diese vor­aus­sicht­lich auch nach der Krise nicht wie­der öff­nen. Der Abbau des Fi­li­al­net­zes wurde vie­ler­orts be­schleu­nigt.

Im Zuge der Co­vid-19 Pan­de­mie ent­deck­ten viele Ver­brau­cher:innen die di­gi­ta­len Mög­lich­kei­ten der Geld­an­la­ge für sich und nut­zen zu­neh­mend On­line An­ge­bo­te, um z.B. in ETF`s und Ak­ti­en zu in­ves­tie­ren. Die Zu­nah­me an di­gi­ta­len An­ge­bo­ten und somit Wahl­mög­lich­kei­ten für Ver­brau­cher:innen ist grund­sätz­lich als po­si­tiv zu be­wer­ten. Die Ver­la­ge­rung auf di­gi­ta­le Ka­nä­le wirft al­ler­dings die Frage auf, ob In­for­ma­ti­ons- und Be­ra­tungs­pflich­ten hier eben­so ein­ge­hal­ten wer­den. Zwar steigt die Zahl der fi­nan­zi­el­len Bil­dungs­an­ge­bo­te im So­ci­al Media Be­reich, was die Po­si­ti­on der Ver­brau­cher:innen stär­ken könn­te. Mitt­ler­wei­le gibt es aber eine kaum über­blick­ba­re An­zahl von Bil­dungs­an­bie­tern, wobei hier eine an­ge­mes­se­ne Qua­li­täts­kon­trol­le fehlt.

Stär­kung der Ver­brau­cher­rech­te

Die Co­vid-19 Pan­de­mie führ­te zu gra­vie­ren­den Än­de­run­gen im All­tags­han­deln. Di­ver­se Ak­ti­vi­tä­ten wie Rei­sen oder Kon­zer­te konn­ten nicht statt­fin­den und die Frage der Haf­tung stand im Raum. Di­ver­se Ver­brau­cher­zen­tra­len mel­de­ten Über­las­tung und kamen bei den zahl­rei­chen An­fra­gen kaum hin­ter­her. Ver­brau­cher­rech­ten kam eine Schlüs­sel­rol­le zu. Nicht auf all diese Her­aus­for­de­run­gen gab es so­fort eine ju­ris­ti­sche Lö­sung, teil­wei­se muss­ten diese erst ge­schaf­fen wer­den.

Der Ge­setz­ge­ber re­agier­te mit ver­schie­de­nen Schutz­maß­nah­men auf die Krise. So wurde zum Bei­spiel das „Ge­setz zur Ab­mil­de­rung der Fol­gen der CO­VID-19-Pan­de­mie im Zi­vil-, In­sol­venz- und Straf­ver­fah­rens­recht“ be­schlos­sen, das zur Ver­mei­dung von Über­schul­dung ein vor­über­ge­hen­des Zah­lungs­mo­ra­to­ri­um be­inhal­te­te. Die Ent­las­tung von Kre­dit­neh­mer:innen war dabei ein Mei­len­stein, denn erst­ma­lig waren Kre­dit­neh­mer:innen nicht mehr al­lein für Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten ver­ant­wort­lich, auch den Ban­ken kam nun eine zen­tra­le Rolle zu. So er­mög­lich­te das Ge­setz vor­über­ge­hend die kos­ten­freie Stun­dung von Kre­dit, – Miet- oder sons­ti­gen For­de­run­gen, wenn diese auf­grund pan­de­mie­be­ding­ter fi­nan­zi­el­ler Ein­bu­ßen nicht ge­zahlt wer­den konn­ten ohne sich des­halb einer Kün­di­gung bzw. zu­sätz­li­cher Kos­ten aus­ge­setzt zu sehen.

Aus­schluss von vul­nera­blen Grup­pen

Die Co­vid-19 Pan­de­mie zeig­te stär­ker als je zuvor die un­glei­che Ein­kom­mens- und Res­sour­cen­ver­tei­lung auf. Es muss genau be­ob­ach­tet wer­den, ob die der­zei­ti­gen Ent­wick­lun­gen nicht dazu füh­ren, dass noch mehr vul­nerable Grup­pen von den für sie not­wen­di­gen Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den. An­ge­sichts ihrer zen­tra­len Be­deu­tung für die All­tags­be­wäl­ti­gung wäre das eine bit­te­re Ent­wick­lung, vor allem da mitt­ler­wei­le klar ist, dass Co­vid-19 als Ka­ta­ly­sa­tor für die Ent­wick­lung so­zia­ler Un­gleich­heit ge­wirkt hat. Da Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen einen es­sen­zi­el­len Bei­trag zur wirt­schaft­li­chen Teil­ha­be leis­ten, ist es wich­tig, dass alle Men­schen Zu­gang dazu haben. Hier sind in­no­va­ti­ve Lö­sun­gen ge­for­dert, um auch schwer er­reich­ba­re Grup­pen er­rei­chen zu kön­nen.

An ver­schie­de­nen Stel­len wurde be­tont, dass die Ban­ken eine Lö­sung der Co­ro­na­kri­se sein könn­ten. Dies zeig­te sich im All­tag al­ler­dings nicht immer. Ob­wohl ge­ra­de in den letz­ten 1,5 Jah­ren viele Men­schen kurz­fris­tig auf Li­qui­di­tät an­ge­wie­sen waren, zum Bei­spiel, auf­grund von Kurz­ar­beit oder Ar­beits­lo­sig­keit, senk­ten die Ban­ken ihre Dis­po­zin­sen kaum. Viele Ban­ken hat­ten wei­ter­hin zwei­stel­li­ge Pro­zent­be­trä­ge.

Das zuvor ge­nann­te Zah­lungs­mo­ra­to­ri­um, als vom Ge­setz­ge­ber in­ten­dier­te zins­freie Stun­dung, war zwar grund­sätz­lich eine gute Idee, al­ler­dings set­zen nicht alle Ban­ken die Kos­ten­frei­heit um, so­dass es erst einer er­neu­ten Klar­stel­lung zur Um­set­zung be­durf­te.

Über­schul­dung

Das iff un­ter­such­te für die Fried­rich-Ebert-Stif­tung die Aus­wir­kun­gen der Co­vid-19 Pan­de­mie auf Ver­brau­cher:innen und zeig­te, wie die Co­vid-19 Pan­de­mie vor­rau­sicht­lich er­heb­lich zur Ver­schär­fung der so­zia­len Un­gleich­heit bei­tra­gen wird. Be­reits nach der sog. ers­ten Welle ließ sich vor allem für Haus­hal­te, die schon vor der Krise fi­nan­zi­ell am Limit waren, eine deut­li­che Ver­schär­fung ihrer Si­tua­ti­on nach­wei­sen.  31 Pro­zent be­rich­te­ten, dass sie be­reits im Ok­to­ber 2020 auf ihre Er­spar­nis­se zu­rück­grei­fen muss­ten, bei 13 Pro­zent waren die Er­spar­nis­se im Ok­to­ber 2020 sogar be­reits auf­ge­braucht und 11 Pro­zent der Be­frag­ten ver­füg­ten über kei­ner­lei Er­spar­nis­se. Ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Mann­heim forscht zu fi­nan­zi­el­len Schocks in der Co­ro­na­kri­se und kommt zu ähn­lich alar­mie­ren­den Zwi­schen­er­geb­nis­sen. Im­mer­hin ein po­si­ti­ves Er­geb­nis der Krise: Über­schul­de­te ste­hen mehr im Fokus und ab­seits der üb­li­chen Logik „Über­schul­de­te sind selbst schuld“ kam es zu einem ver­stärk­ten Blick auf die struk­tu­rel­len Ur­sa­chen die­ser Er­eig­nis­se.

Be­stand­teil des Über­schul­dungs­re­ports 2021 war auch eine Er­he­bung unter Fach­kräf­ten der Schuld­ner­be­ra­tun­gen. Die Er­geb­nis­se die­ser Son­der­er­he­bung zei­gen ein er­nüch­tern­des Bild: lange War­te­zei­ten, hohe Ar­beits­be­las­tung und eine viel­fach un­zu­rei­chen­de tech­ni­sche Aus­stat­tung. Be­sorg­nis­er­re­gend ist zudem, dass für ei­ni­ge Per­so­nen­grup­pen der Zu­gang zu Schuld­ner­be­ra­tung und einer an­ge­mes­se­nen Be­ra­tungs­leis­tung deut­lich er­schwert war (z.B. bei Sprach­schwie­rig­kei­ten oder Un­ter­stüt­zung bei den For­mu­la­ren und Pa­pie­ren).

Co­ro­na- und Kli­ma­kri­se dür­fen dabei nicht ge­gen­ein­an­der aus­ge­spielt wer­den.

Durch die Krise ist auch das Thema Nach­hal­tig­keit ver­stärkt in den Fokus ge­rutscht. Die Krise ist noch nicht gänz­lich aus­ge­stan­den, aber schon wer­den erste Fra­gen hin­sicht­lich Leh­ren aus der Krise laut Zu­kunfts­fä­hig­keit ohne Nach­hal­tig­keit geht nicht. Die Be­wäl­ti­gung der einen, muss mit der Be­wäl­ti­gung der an­de­ren Krise Hand in Hand gehen. Dass die Pan­de­mie die Welt­wirt­schaft hart trifft, ist mitt­ler­wei­le Kon­sens. Nicht zu un­ter­schät­zen ist zudem die große Un­si­cher­heit über den zu­künf­ti­gen Ver­lauf der Pan­de­mie. Auch setzt sich immer mehr die Er­kennt­nis durch, dass die Pan­de­mie wohl nicht die letz­te Si­tua­ti­on sein wird, bei der wir den „Kri­sen­mo­dus“ an­schal­ten müs­sen. Das be­deu­tet, dass Un­si­cher­heit und Kri­sen bei stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen von Fi­nanz­dienst­leis­tern be­rück­sich­tigt wer­den müs­sen. Die Er­kennt­nis, dass die Fi­nanz­wirt­schaft in Kri­sen­zei­ten eine zen­tra­le Rolle spielt, hat sich mitt­ler­wei­le zwar durch­ge­setzt, die Um­set­zung im Sinne der Ver­brau­cher:innen ist aber noch nicht voll­zo­gen und ist von Mühen und Kämp­fen be­glei­tet.

Au­to­rin: Dr. Sally Pe­ters, Ge­schäfts­füh­re­rin des iff e.V. Ham­burg