Fußball, Klavier, Reiten – der Terminplan von Kindern ist heute oft durchgetaktet wie bei Managern. Wenn sie dann mal Leerlauf haben, wissen die Kids trotz unzähliger Spielsachen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ein Plädoyer für nützliches Nichtstun und einige kreative und erschwingliche Notfall-Tipp für Eltern. von Monika Mendat
Julian stürmt mit ungebremster Energie die Treppe herunter in die Küche und quengelt: „Mama, was machen wir jetzt? Mir ist ja sooo langweilig!“ Vorschläge wie „Geh doch in dein Zimmer Lego oder Playmobil spielen“ akzeptiert er nicht. Auch Fußball, das Computerspiel oder die elektrische Autorennbahn interessieren in diesem Moment so wenig wie Omas Häkelpulli. Aber was kann man machen?
Phänomen Langeweile
Julian ist kein Einzelfall. Kinder, egal welchen Alters, haben solche Leerlaufzeiten. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Ursachen. Eine davon: Viele Eltern planen das Leben ihrer Kinder durch wie bei einem Profisportler – das beklagen auch Erzieherinnen und Lehrer. Rope skipping (Seilhüpfen), Golf, Lieder auf Englisch und Ukulele für Kinder – es gibt unzählige Angebote, die Sprösslinge mit mehr oder minder sinnvollen Beschäftigungen durch den Tag zu hetzen.
Das fängt bereits im Babyalter an, wo von der Pekip-Gruppe, in der Säuglinge ersten Spielkontakt erlernen sollen, bis zum Babyschwimmen möglichst jeder Tag mit Tätigkeiten gefüllt sein muss. Aber: Wenn Kinder es gewohnt sind, immer beschäftigt zu werden, lernen sie nicht, sich selbst eine Beschäftigung zu suchen. Die logische Konsequenz: Es entsteht Langeweile. Dabei ist diese nützlich und wichtig. „Langeweile fördert die Entwicklung von Persönlichkeit und Kreativität“, sagt Erzieherin Karin Engelmann-Speis aus der Eltern-Kindinitiative Villa Kunterbunt e. V. im bayerischen Friedberg. Wie in einigen anderen Kindergärten hat man dort sogar einen Wochentag ohne Spielzeuge eingeführt, um durch die Langeweile bewusst die Fantasie der Kinder anzuregen.
Das nützliche Nichtstun
Bekannte Erziehungswissenschaftler wie Professor Peter Struck plädieren schon seit geraumer Zeit dafür, den Kindern genügend Zeit und Raum zu geben. Der Hamburger Experte („Das Erziehungsbuch“) sagte unter anderem einmal in einem Interview: „Langeweile hat enorme Bedeutung. Kinder brauchen Ruhe, Muße, Entlastung und viel freie Zeit für sich selbst, für zweckfreies Spiel. Nicht organisierte Freizeit ist wichtig für die kindliche Entwicklung.“ Und Langeweile sei die Voraussetzung dafür, dass Kinder selbstständig und kreativ werden und lernen, auch mit sich allein etwas anfangen zu können.
Aber was tun, wenn es einmal mit der Fantasie nicht klappen will? Weil die konstruktive Bewältigung von Langeweile häufig leichter gesagt als getan ist, haben wir einige Notfall-Tipps zusammengestellt. Es müssen ja nicht gleich der teure Freizeitpark oder das ausgefeilte Sportanimationsprogramm sein. So lässt sich Freizeit sinnvoll und erschwinglich zu Hause gestalten, bei jedem Wetter.
Notfall-Tipps für Langeweile-Monster
2 – 3 Jahre
- Der Frosch und die goldene Kugel: Mehrere Spieler stehen im Kreis. Zwei Spieler werden als
Frosch und Prinzessin ausgewählt. Die Prinzessin versteckt eine „goldene“ Kugel (kleiner,
mit Goldfolie umwickelter Ball) bei einem der Mitspieler, ohne dass der Frosch zusieht.
Während der Frosch nun die Kugel sucht, rufen die restlichen Spieler „kalt, kalt“, wenn er
zu weit entfernt ist, oder „warm, warm“, wenn sich der Frosch der Kugel nähert. - Eisbär, was frisst du denn? Ein Spieler ist der Eisbär, die anderen sind die Fische. Die Fische
fragen: „Eisbär was frisst du denn?“ Wenn der Eisbär z. B. „Pommes“ antwortet, passiert
nichts. Sagt er aber „Fische“, ist das für die Fische das Signal auf die Couch zu springen.
Mal sehen, wen der Eisbär als erstes fängt?
4 – 6 Jahre
- Friseur spielen: Geben Sie Ihrem Kind Bürste, Haarspangen und Haargummis und lassen
Sie sich frisieren – ein großer Spaß für alle Beteiligten. Foto nicht vergessen! - Knetmasse selbst basteln: Ein Spaß, der so gut wie nichts kostet (→ Rezept)!
- „Dosen-Klapper-Spiel“: Man nimmt eine leere, undurchsichtige Dose (Metall oder Plastik)
und legt einen beliebigen, alltäglichen Gegenstand hinein, z. B. Nagel, Knopf, Münze,
Würfel oder Feder. Nun wird reihum geklappert und geschätzt: Was ist drin? Der Gewinner
bekommt die Dose und wählt den nächsten Gegenstand.
6 – 9 Jahre
- Aquarium im Schuhkarton:
Dafür braucht man Farben, Papier und einen Schuhkarton. Die Fische und Pflanzen werden
aufs Papier gemalt und ausgeschnitten. Den Karton auf die Längsseite legen und Fische
und Pflanzen an Fäden im Karton aufhängen oder auf den Boden stellen. - Detektivspiel: Alle Spieler schauen sich gründlich im Zimmer um und verlassen danach den
Raum. Nur ein Spieler bleibt zurück und verändert etwas: Er kippt z. B. ein Buch um, legt
eine CD aufs Bett oder dreht den Wecker um. Dann ruft er alle Detektive hinein. Wer die
Veränderung als Erster entdeckt, hat gewonnen und darf als nächstes im Zimmer bleiben. - Pantomime-Kette: Alle Kinder stehen hintereinander in einer Reihe. Das letzte Kind denkt sich
eine alltägliche Bewegung aus (Baby wiegen, tanken, staubsaugen) und spielt sie seinem
Vordermann vor, der sich zu ihm umgedreht hat. Alle anderen schauen weiterhin nach vorne.
Das Kind spielt nun wiederum seinem Vordermann vor, was es gesehen hat. Das letzte Kind
nennt den Begriff. Ist es der richtige?
9 –12 Jahre
- Bilderpaare: Jeder Mitspieler erhält eine Zeitung und eine Schere und schneidet Bilder oder
Fotos aus. Gesucht werden Bilder, die kombiniert mit einem zweiten Foto ein zusammen-
gesetztes Wort ergeben. Die Bildpaare vor sich legen und gegenseitig raten, wie die
zusammengesetzten Worte lauten. Bild-Wort-Beispiele: Schoko – Pulver (Schokopulver),
Baum – Haus (Baumhaus). - Pfennig fuchsen: Für dieses Spiel braucht man ein wenig Kleingeld. An ein Tischende wird ein
dickes Buch gelegt (der Buchrücken zeigt zur Tischfläche). Von der anderen Seite des Tisches
versuchen die Spieler nun der Reihe nach, einen Cent so nah wie möglich an das Buch heran-
zuschnippen. Aufgepasst: Wenn die Münze zu schnell ist, prallt sie vom Buch ab! Nach jeder
Spielrunde gewinnt der Spieler alle Münzen, dessen Cent am nächsten am Buch liegt.