Welche Kompetenzen sind erforderlich, um eine nachhaltige Anlageentscheidung zu treffen?

Um nachhaltige Anlageentscheidungen treffen zu können, sind spezifische Kompetenzen und ein fundiertes Wissen erforderlich, das sowohl Aspekte der Nachhaltigkeit als auch der finanziellen Bildung umfasst. Das gemeinsame Forschungsprojekt des iff und der LUH zeigt anhand qualitativer Daten, dass das Verständnis von Nachhaltigkeit unter Privatanleger:innen stark variiert. Diese unterschiedlichen Auffassungen führen dazu, dass es oft schwerfällt, sich über die eigenen Nachhaltigkeitspräferenzen klar zu werden. Ein Grund dafür ist auch die fehlende einheitliche Definition von Nachhaltigkeit. Oft fehlt es an Wissen darüber, wie Nachhaltigkeit mit den traditionellen Anlagezielen wie Verfügbarkeit, Gewinn und Sicherheit zusammenhängt. Deshalb braucht es für eine nachhaltige Investitionsentscheidung sowohl finanzielle Kenntnisse als auch ein gutes Verständnis von Nachhaltigkeit.

Was verstehen Verbraucher:innen unter Nachhaltigkeit?

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird in der Politik und den Medien unterschiedlich interpretiert, was auch dazu führt, dass Verbraucher:innen sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben.

So verstehen viele unter Nachhaltigkeit insbesondere ökologische Aspekte wie Ressourcensparsamkeit, Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Andere hingegen sehen eher verschiedene soziale Aspekte wie Gleichberechtigung und Menschenrechte im Vordergrund. Wenn es um ihre Prioritäten bei der Nachhaltigkeit geht, stehen sie oft vor dem Problem, dass ökologische und soziale Ziele miteinander in Konflikt geraten können. Einige der Diskussionsteilnehmer:innen[1] der Studie ordnen soziale und ökologische Aspekte nach ihrer Wichtigkeit, während anderen ein Gleichgewicht zwischen beiden Bereichen wichtig ist.

Was verstehen Verbraucher:innen unter nachhaltigen Geldanlagen?

Die Auswertungen zeigen, dass für den Großteil der befragten Privatanleger:innen die ökonomische Rendite – auch in nachhaltigen Geldanlagen – die Hauptmotivation für eine Geldanlage darstellt. Ein Teil der Verbraucher:innen assoziiert nachhaltige Geldanlagen mit dem Ausschluss bestimmter Unternehmen und Branchen. Insbesondere Unternehmen, die mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen, sowie die Waffenindustrie und die Industrie fossiler Brennstoffe werden häufig als nicht nachhaltig bewertet.

Wenn es um die Abwägung zwischen Rendite, Nachhaltigkeit und Risiko (Sicherheit) geht, vermuten viele befragte Verbraucher:innen bei nachhaltigen Geldanlagen eine geringere Rendite[1]  oder ein höheres Risiko im Vergleich zu konventionellen Geldanlagen.

Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Finanzbildung/Handlungsfelder für die Finanzbildung

Die Reflexion über die eigenen Nachhaltigkeitspräferenzen ist eine zentrale Kompetenz für eine nachhaltige Geldanlage. Diese Kompetenz sollte auch in Initiativen zur Stärkung der Finanzbildung verankert werden. Anleger:innen müssen in der Lage sein, ihre Prioritäten hinsichtlich ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte zu definieren und abzuwägen, wie sie potenzielle Zielkonflikte zwischen den verschiedenen Dimensionen handhaben können. Es ist entscheidend, dass Anleger:innen ein klares Bild davon entwickeln, was Nachhaltigkeit für sie persönlich bedeutet, um informierte Entscheidungen treffen zu können.

Auch die neue OECD-Empfehlung zur Nationalen Finanzbildungsstrategie[1] in Deutschland beinhaltet Strategien, um diese Grundkompetenzen zu stärken.  Sie betont die Sensibilisierung für Themen wie Greenwashing und nachhaltige Finanzprodukte und unterstreicht die Notwendigkeit von Bildungsinitiativen, die spezifische Risiken und Umweltwirkungen individueller Finanzentscheidungen thematisieren. Unsere Studie knüpft an die OECD-Empfehlungen an und konkretisiert Handlungsfelder an die Stakeholder aus der Finanzbildung:

  1. Nachhaltigkeitspräferenzen bei Finanzentscheidungen sollten in die Deutsche Finanzbildungsstrategie mit aufgenommen werden und Synergiepotenziale mit dem Aktionsplan Bildung Nachhaltige Entwicklung identifiziert und genutzt werden.
  2. Initiativen im Bereich Finanzielle Bildung sollten auch Nachhaltigkeitsthemen berücksichtigen und die verschiedenen Aspekte von finanzieller Bildung und Nachhaltigkeit miteinander in Verbindung setzen.
  3. Initiativen im Bereich finanzieller Bildung sollten potenzielle Spannungsverhältnisse zwischen Nachhaltigkeitspräferenzen und Rendite- und Risikoerwartungen adressieren und differenziert nach Assetklassen thematisieren.
  4. Kompetenzen von Verbraucher:innen hinsichtlich der Bewertung von verlässlichen Informationsquellen zu nachhaltigen Anlageprodukten müssen gestärkt werden. Zentrale Fragen der Verbraucher:innen sind: „Was sind gute und unabhängige Informationsquellen?“ und „An wen kann ich mich wenden, wenn ich Beratungsbedarf habe?“

Nachhaltige Investments bieten immer mehr Möglichkeiten auf dem Finanzmarkt. Wer finanziell gebildet ist und seine eigene Vorstellung von Nachhaltigkeit kennt, kann fundierte Entscheidungen treffen und versteht, wie nachhaltige Investments nicht nur finanzielle, sondern auch ökologische und soziale Renditen erzielen. Eine entsprechende Bildung in diesem Bereich fördert das Verantwortungsbewusstsein und langfristige Denken von Einzelpersonen und Unternehmen, was eine ausgewogene Balance zwischen wirtschaftlichem Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung unterstützt. Finanzielle Bildung und Nachhaltigkeit sind untrennbar miteinander verbunden und schaffen gemeinsam die Grundlage für stabile, gerechte und umweltfreundliche Wirtschaftssysteme, die auch zukünftigen Generationen zugutekommt.

Autorin: Dr. Jana Lenze (institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff))


[1] Das Forschungsprojekt wurde gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Den gesamten Forschungsbericht finden Sie unter: Der-Weg-zur-nachhaltigen-Geldanlage.pdf.

[2] Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden unter anderem Fokusgruppendiskussionen mit 48 Teilnehmer:innen durchgeführt. Mehr Informationen dazu finden sich im Projektbericht.

[3] Dieser Zusammenhang ist bereits durch empirische Studien widerlegt, zum Beispiel: Atz et al. (2023). Does sustainability generate better financial performance? review, meta-analysis, and propositions. Journal of Sustainable Finance & Investment, 13(1), 802.

[4] OECD (2024), Finanzkompetenz in Deutschland stärken: Vorschlag für eine nationale Finanzbildungsstrategie, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/77d40624-de (Abruf 14.10.2024).