Wir haben nachgefragt bei der Kinder- und Familientherapeutin Ursula Hellmann.
Frau Hellmann, jeder kennt das Sprichwort „Über Geld spricht man nicht“. Gilt das auch für Eltern? Sollte man offen mit Kindern über finanzielle Probleme reden?
Nach Möglichkeit sollten Eltern ihre Kinder mit einer prekären finanziellen Situation nicht unnötig belasten. Kurze Hinweise können aber helfen, damit die Kinder die Anspannung der Eltern verstehen und nicht auf sich selbst beziehen.
Schon etwa ab dem sechsten Lebensjahr sollte man mit seinen Kindern über Geld reden. Dann gibt es erstmals Taschengeld und in der Schule werden die Grundrechenarten gelernt.
Wenn die Kinder schon etwas älter sind, etwa 12 bis 14 Jahre, sollten die Eltern mit ihnen über die finanzielle Situation der Familie sprechen. Nicht nur über Sorgen, sondern über die reale Situation. Wenn zu wenig Geld da ist, dann sollte die ganze Familie versuchen sparsam zu leben.
Belasten Kinder die Geldsorgen der Eltern?
Kinder spüren natürlich die Anspannung der Eltern. Entscheidend ist, dass sie diese zuordnen können und nicht auf sich beziehen. Auch muss klar sein, dass Kinder weder für die finanziellen Probleme noch für die Anspannung der Eltern verantwortlich gemacht werden.
Wie geht man am besten mit teuren Wünschen um (Spielzeug, Ausflüge, Markenklamotten)?
Verständnis für den Wunsch äußern. Wenn er im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten liegt, kann man ihn auf bestimmte Gelegenheiten, wie Geburtstag oder Weihnachten, verlagern. Aber Dinge, die die Eltern nicht befürworten, sollten sie auch nicht schenken.
Wie kann man Kindern beibringen, vernünftig mit Geld umzugehen – auch wenn man unter Umständen mit seinen Geldsorgen selbst kein gutes Vorbild abgibt?
Am besten ist, wenn man ihnen schon früh eine kleinere Summe als Taschengeld zur eigenen Verwendung gibt und mit ihnen gemeinsam bespricht, was sie damit anfangen können. Dabei kann Bedürfnisaufschub gelernt werden – also auf etwas zu sparen. Lieber ein kleines Spielzeugauto in zehn Wochen, als eine Tüte Gummibärchen in vierzehn Tagen. Das Ziel sollte aber auch nicht zu weit weg sein und erreichbar bleiben.
Und wie legt man am besten die Höhe des Taschengelds fest?
Entscheidend ist natürlich die finanzielle Situation der Eltern. Es kommt auch darauf an, was die Kinder mit dem Geld anfangen sollen. Geht es nur um Extras oder sollen die Kinder auch Dinge des täglichen Bedarfs – Pausenbrot, Getränke, Handykosten und ähnliches – davon bestreiten? Dies ist aber immer im Einzelfall zu entscheiden und muss klar abgesprochen sein. Zu beachten ist auch, ob es noch andere Taschengeldgeber gibt, zum Beispiel die Oma oder Tante, und wie die allgemeine Versorgungssituation ist.
Zur Höhe gibt es Empfehlungen der Jugendämter. Nicht gut ist es, wenn Kinder für Unterstützung im Haushalt Geld bekommen – eigentlich sollte die Hilfe selbstverständlich sein. Gelegentliche finanzielle Anreize für unbeliebte Tätigkeiten sind aber durchaus zulässig.
Ist es richtig, sich einzumischen, wenn Kinder jeden Euro sofort in den nächsten Kiosk tragen?
Nicht unbedingt, denn das ist eigentlich kein Grund zur Panik, sondern der erste Schritt zu einem bewussten Umgang mit Geld: Wenn Kinder gleich ihr ganzes Geld im Kiosk lassen, bleibt für die restliche Zeit nichts mehr. Sie lernen so, dass man sich sein Geld einteilen muss. Natürlich sollte man ihr Verhalten in Ruhe besprechen und Alternativen überlegen. Bei Kindern, die sich mit dem Sparen schwer tun, kann man die Frequenz der Taschengeldzahlungen ändern – statt einmal im Monat 20 Euro sollte man dann zum Beispiel jede Woche 5 Euro auszahlen. Man kann auch das Ansparen durch einen Zuschuss, wenn ein bestimmtes Ziel erreicht ist, attraktiver machen. Immer sind aber auch die Eltern dabei ein Vorbild. Auf jeden Fall sollte das Taschengeld nicht mit Wohlverhalten gekoppelt werden.
Was kann man außerdem tun, um Kindern einen bewusste Umgang mit Geld beizubringen?
Entscheidend ist natürlich, dass eigene Erfahrungen gemacht werden. Nehmen Sie die Kinder zum Beispiel zum Einkaufen mit. Am besten schauen Sie vorher gemeinsam zu Hause nach, was benötigt wird und was noch vorhanden ist. Beziehen Sie die Kinder mit ein, damit sie ein Gefühl für den Wert von Dingen entwickeln. Was kostest viel, was kostest wenig? Bekommt man das woanders noch günstiger?
Es geht ja hier auch nicht nur um den finanziellen Aspekt. Kinder sollten lernen verantwortungsbewusst zu konsumieren: Wenn man übriggebliebene Lebensmittel wegwerfen muss, ist es nicht nur eine Verschwendung von Geld, sondern auch von Ressourcen.
Was ist ihr wichtigster Tipp für Eltern, die von Geldsorgen geplagt werden?
Unternehmen Sie mit den Kindern schöne Dinge, die nichts kosten: gemeinsam spielen, am Lagerfeuer Brot rösten, vorlesen, wandern, singen, Zeit schenken. Damit können die Kinder lernen, dass es viele Dinge gibt, die das Leben lebenswert machen, die mit Geld nichts zu tun haben.
Diplompädagogin Ursula Hellmann ist seit über 25 Jahren als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Familientherapeutin in eigener Praxis in Augsburg tätig. Sie hat zwei erwachsene Töchter.
www.taschengeldtabelle.org
Empfehlungen der Jugendämter: Wie viel Taschengeld ist in welchem Alter angemessen?
www.bpb.de/apuz/31924/lernen-mit-geld-umzugehen?
Aufsatz bei der Bundeszentrale für politische Bildung
Artikel aus der Zeitschrift ImPlus – der Sitftung Deutschland im Plus